Steuerverwaltung und Steuerprüfungen

Steuerhinterziehungsbekämpfungsverordnung

Das deutsche Steuerrecht hat mit der Steuerhinterziehungsbekämpfungsverordnung ein neues Wortmonster geboren. Am 18. September hat der Bundesrat diese Verordnung verabschiedet, die die im Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz vorgesehenen Mitwirkungs- und Nachweispflichten konkretisieren soll. Im Einzelnen enthält die Verordnung folgende Vorgaben für den Geschäftsverkehr mit Ländern, die keine steuerlich relevanten Informationen nach OECD-Standard erteilen wollen:

  • Einnahmen dürfen nur dann durch Betriebsausgaben oder Werbungskosten gemindert werden, wenn besondere Nachweispflichten erfüllt werden.

  • Bei Geschäftbeziehungen zu nahe stehenden Personen müssen die bereits bestehenden Aufzeichnungspflichten in jedem Fall zeitnah erfüllt werden.

  • Für Geschäftsbeziehungen zu fremden Dritten müssen umfassende Aufzeichnungspflichten erfüllt werden. Die Aufzeichnungen müssen Angaben enthalten über Art und Umfang der Geschäftsbeziehungen, Verträge und Vereinbarungen, genutzte Wirtschaftsgüter (auch immaterielle wie Nutzungsrechte oder Patente), gewählte Geschäftsstrategien, die von den Beteiligten ausgeübten Funktionen und übernommenen Risiken, Markt- und Wettbewerbsverhältnisse, sowie - wenn der Geschäftspartner eine Gesellschaft ist - alle natürlichen Personen, die Gesellschafter dieser Gesellschaft sind. All diese Angaben sind zu machen, sobald die Umsätze mit einem Geschäftspartner 10.000 Euro im Jahr erreichen.

  • Und schließlich muss derjenige, der Geschäftsbeziehungen zu Banken in diesen Staaten unterhält, oder für den das Finanzamt die Vermutung hat, dass solche Geschäftsbeziehungen bestehen, den Banken erlauben, dem deutschen Fiskus alle gewünschten Auskünfte zu erteilen und das Finanzamt bevollmächtigen, diese Auskünfte auch einzufordern.

Vergleichbare Nachweispflichten gelten auch für Steuerermäßigungen oder -freistellungen im Zusammenhang mit Dividendenzahlungen, die von ausländischen Gesellschaften zufließen oder an diese geleistet werden.

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Rentnern drohen Kontrollen durch das Finanzamt

Dass nun jeder Steuerzahler seine bundeseinheitliche Steueridentnummer hat, erleichtert der Finanzverwaltung ein anderes Vorhaben, das schon länger auf der Agenda steht: Im Oktober erhalten die Finanzämter 120 Millionen Rentenbezugsmitteilungen von Versicherungsgesellschaften und den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung. Darin sind die Einnahmen aus der gesetzlichen Rente, Betriebsrenten und persönlichen Leibrenten aufgelistet - und zwar bis zurück ins Jahr 2005.

Seit diesem Zeitpunkt nämlich sind mindestens 50 % der Altersbezüge steuerpflichtig. Durch das Alterseinkünftegesetz wurde die Besteuerung dieser Einkünfte neu geregelt. Wer daher im Jahr 2005 oder früher eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezog, dessen Rente unterliegt zu 50 % der Steuerpflicht. Dieser Besteuerungsanteil ist abhängig vom Jahr des Rentenbeginns und steigt bis 2020 um jährlich zwei Prozentpunkte und danach um jeweils einen Prozentpunkt auf schließlich 100 % im Jahr 2040 an.

Ob Senioren eine Steuererklärung abgeben müssen, hängt von der Höhe ihrer steuerpflichtigen Einkünfte ab. Hierzu gehören nicht nur Renteneinkünfte sondern auch weitere Einnahmen, zum Beispiel aus Vermietung oder Leistungen aus einer betrieblichen Altersversorgung. Eine Erklärung wird auf jeden Fall immer dann fällig, wenn ein Rentner mit seinem gesamten zu versteuernden Einkommen den jährlichen Grundfreibetrag überschreitet.

Da das vielen Rentnern entweder nicht bekannt ist oder die Rentner darauf vertraut haben, das Finanzamt werde schon nichts von den Einkünften erfahren, haben die meisten steuerpflichtigen Rentner bisher keine Steuererklärung abgegeben. Sobald die Finanzverwaltung aber über die Rentenbezugsmitteilungen von den Einkünften erfährt, droht nun vielen Rentnern eine Steuernachzahlung. Im Extremfall kann das Finanzamt sogar ein Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung einleiten.

Die Steuergewerkschaft - der Verband der Beschäftigten in der Finanzverwaltung - rechnet mit insgesamt rund zwei Millionen Fällen, in denen eigentlich eine Steuererklärung einzureichen gewesen wäre. Müssten das nun tatsächlich alle Rentner nachholen, wären die Finanzämter auf Monate lahmgelegt. Die Gewerkschaft hat deshalb bereits eine Bagatellgrenze von 200 bis 300 Euro gefordert, unterhalb der für die Vergangenheit keine Steuererklärungen nachgereicht werden müssten.

Eine solche Bagatellgrenze hat das Bundesfinanzministerium aber abgelehnt. Schon aus verfassungsrechtlichen Gründen sei das nicht machbar. Daher hat man sich in der Verwaltung einen anderen Weg ausgedacht: Ein elektronischer Risikofilter wählt diejenigen aus, die nachträglich veranlagt werden. In diesem Filter ist auch eine Bagatellgrenze enthalten, deren Höhe die Verwaltung allerdings nicht nennt. Jeder, dessen Steuern voraussichtlich über dieser Grenze liegt, wird angeschrieben. Von den übrigen Rentnern werden per Zufallsgenerator weitere Personen ausgewählt, die das Finanzamt dann zur Abgabe einer Steuererklärung auffordert.

Die Mehrzahl der Rentner braucht sich nur wenig Sorgen machen: Nur mit der gesetzlichen Rente erreichen nur die wenigsten Rentner die Grenze zur Steuerpflicht. Und in den meisten Fällen wird die nicht bezahlte Steuer nur wenige hundert Euro ausmachen. Dass die Finanzverwaltung tatsächlich ein Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung einleitet, wird voraussichtlich die große Ausnahme bleiben.

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Nichtanwendungserlasse in der Kritik

Immer wieder weist das Bundesfinanzministerium die Finanzämter an, bestimmte Entscheidungen der Finanzgerichte in anderen, gleich gelagerten Fällen nicht anzuwenden. Die vom Bundesfinanzminister immer wieder gerne so titulierte "Abteilung Propaganda und Agitation" seines Ministeriums verwahrt sich nun gegen den Vorwurf, das Ministerium würde mit dieser Praxis das Gebot rechtstaatlichen Verhaltens verletzen. In fünf Punkten setzt sich das Ministerium mit der Kritik auseinander:

Das ist zwar soweit richtig, allerdings entscheiden die Gerichte bei gleicher Sach- und Rechtslage nur äußerst selten gegen die Präzedenzentscheidungen des Bundesfinanzhofs. Und daher kann jeder Steuerzahler vor Gericht mit guten Erfolgsaussichten die gleiche Behandlung wie im Präzedenzfall erwarten, womit die Finanzverwaltung so steht, als hätte sie das Urteil gleich wie vom Steuerzahler gewünscht angewendet. Allerdings ist eine Klage vorm Finanzgericht mit einigem Aufwand verbunden und erfordert einen Kostenvorschuss, der auch bei einer Klagerücknahme nicht erstattet wird. Der Nichtanwendungserlass führt also zu einer Ungleichbehandlung, weil nur die Steuerzahler mit genügend Geduld und Geld zu dem für sie günstigeren Recht kommen.

Dieses Argument führt natürlich zu der Frage, inwieweit ein Nichtanwendungserlass dadurch besser wird. Auch die Begründung, ein Erlass diene einzig dazu, dem BFH Gelegenheit zu geben, in einem neuen Verfahren seine Rechtsauffassung zu überprüfen, wirft Fragen auf. Zwischen den Zeilen kann man aus dieser Begründung jedenfalls die Überzeugung herauslesen, in der Finanzverwaltung säßen die kompetenteren Juristen als am Bundesfinanzhof.

Auch dieses Argument kann kaum überzeugen, denn ein Willkürakt wird nicht dadurch besser, dass er nur selten ausgeführt wird. Vom Anfang 1998 bis Ende 2008 hat der BFH 3.711 zur amtlichen Veröffentlichung bestimmte Entscheidungen getroffen. In jedem 57. Fall haben die Finanzbehörden einen Nichtanwendungserlass herausgegeben. Das macht immerhin mehr als 60 Nichtanwendungserlasse in diesem Zeitraum.

In diesem Punkt hat das Ministerium sogar recht. Dass dieses Argument eher vorsichtig formuliert ist, hat aber seinen Grund: Die Nichtanwendungserlasse zugunsten der Steuerzahler sind deutlich in der Minderheit - allenfalls jeder zehnte Erlass wirkt so. Nicht umsonst ist das Beispiel, das das Ministerium aufführt bereits sechs Jahre alt. Außerdem stellt sich in diesen Fällen die Frage, warum die Finanzverwaltung überhaupt erst für ein letztinstanzliches Urteil gestritten hat, wenn sie doch eigentlich eine steuerzahlerfreundlichere Auffassung haben will.

Das Ministerium meint: Ein Nichtanwendungserlass ist geboten, wenn verschiedene Senate des BFH unterschiedliche Rechtsauffassungen vertreten und keine Anrufung des großen Senats erfolgt. Dass man sich im Ministerium dann allerdings in der Regel dasjenige Urteil aussucht, das für den Fiskus günstiger ist, erwähnt die Stellungnahme jedoch nicht. Außerdem ist unklar, inwieweit das Ministerium auch eine Änderung der Rechtsprechung des BFH unter diesem Punkt subsumiert - denn auch darauf reagiert man gerne mal mit einem Nichtanwendungserlass, wenn sich eine Gesetzesänderung nicht schnell genug realisieren lässt.

Fazit: Mit dieser Verteidigungsschrift wird das Ministerium kaum einen Steuerexperten außerhalb der Finanzverwaltung von der Praxis der Nichtanwendungserlasse überzeugen können. Und auch normale Steuerzahler tun gut daran, den hehren Motiven, die sich das Ministerium zuschreibt, zumindest misstrauisch zu begegnen. Bleibt es bei der Praxis, so bleibt auch die Ungleichbehandlung der Steuerzahler bestehen zwischen denjenigen, die sich den Mühen eines finanzgerichtlichen Verfahrens unterziehen, und denjenigen, die angesichts der Weigerung des Finanzamts resignieren.

Kritikwürdig bleibt die Praxis jedenfalls allein schon deswegen, weil das Ministerium auch einfach eine Gesetzesänderung veranlassen könnte, die dann nicht nur die Finanzverwaltung binden würde - schließlich kommen die Entwürfe für Gesetzestexte fast ausnahmslos aus dem Haus des Bundesfinanzministers. Doch entweder hat man Angst, die eigene Auffassung im politischen Prozess nicht durchsetzen zu können oder man scheut die damit verbundenen Mühen. So oder so gibt es neben der Finanzverwaltung keinen anderen Zweig der Exekutive, der von Zeit zu Zeit so offenkundig höchstrichterliche Urteile ignoriert.

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